Die 3. Kugel – 4. Der Zöllner

Hier nun ein weiterer Teil der Kriminalnovelle „Die 3. Kugel“ von Bodo Dringenberg. Wenn Du die vorherigen „Aufnahmen“ verpasst haben solltest, dann lies diese doch zuerst.

Kugelkultur

Viel Vergnügen …

Die 3. Kugel
eine Kriminalnovelle in dreizehn Aufnahmen von

Bodo Dringenberg

4. Der Zöllner

Heinz Mosterd zog seinen Uniformmantel fester um die mageren Schultern und verließ mit einem anderen Beamten die Wachstube. „Na dann, auf zur Stichprobe.“ Durch den stillen fisseligen Regen sah er einen großen silbrigen Geländewagen an den Grenzübergang heranrauschen. Heinz Mosterd trat auf die Fahrbahn und winkte das Fahrzeug mit seiner Dienstkelle an die Seite. Während sein Kollege vom Zoll beobachtend einige Meter hinter ihm blieb, kontrollierte Mosterd die Papiere des Fahrers. Der junge Mann, ein kunstgebräunter, freundlich-glatter, fast kahlgeschorener Deutscher so um die 25 machte keinerlei Schwierigkeiten und hatte korrekte Papiere. Als der Zollbeamte sich den Wagen innen ansah, fand er unter dem Rücksitz 6 Sätze à 4 billiger Freizeit- oder Camping-Kugeln vor.
„Sie spielen Boule?“ – „Ja, na klar, super Spiel.“ – „Sie spielen wohl viel, auch bei Turnieren, daß Sie so viele Kugeln brauchen? – Keine Sorge, die sind nicht zollpflichtig.“ – „Ja, doch, habe auch schon einige Turniere gewonnen. Spiele aber auch mit Freunden und so. Deswegen brauche ich immer ein paar mehr.“ – „Verstehe, verstehe.“ Heinz Mosterd sah sich die Geräte des vorgeblichen Spitzenspielers genauer an, entnahm eine silbern Schimmernde der Verpackung und wog sie prüfend in der Hand.
Es war eine typische Freizeitkugel: dünnes Stahlblech mit Aluminiummantel, blinkend, billig, ungenau, mehr Schein als Sein. Dennoch war sie etwas Besonderes, denn eine daumennagelgroße Stelle zeigte Heinz Mosterd, daß diese Kugel offensichtlich manipuliert worden war.
„Prima“, sagte der Zöllner aufmunternd und legte die Kugel wieder zurück zu den anderen. Besonders freundlich lächelnd kam seine nächste Frage: „Kann man damit gute carreaux machen?“
„Äh was, was für welche Quadrate?“ entgegnete der Boules-Besitzer. Der Zöllner lächelte betont freundlich: „Na ja, so richtige Quadrate auf dem Platz eben.“ – Der Gefragte fing sich wieder und lachte mit wiedergewonnener Sicherheit: „Ja, doch, kein Problem, an jeder Ecke eine.“ – „Prima“, meinte der Zöllner, „dann schließen Sie bitte Ihr Fahrzeug ab und folgen Sie mir doch mal.“
So ein schöner, blöder Fang, wie im Film, dachte Heinz Mosterd. Das ist keine Zerstreutheit, der hat einfach überhaupt keine Ahnung, wovon gerade gesprochen wird. Was die Rauschgift-Händler neuerdings für Pfeifen auf die Piste schicken!
Der etwas verdattere Kugeltransporteur fand sich kurz darauf in den Fängen der Kripo wieder, immer noch grübelnd, wie dieser einfache Beamte das geniale Koksversteck entzaubert hatte. Kurz darauf lag auch der Zauber der runden Konterbande auf der Hand:
In die Freizeitkugeln war jeweils ein kreisförmiges Loch geschnitten, gefüllt, die ausgesägten Metallscheibchen sorgfältig mit Metallkleber wieder eingefügt und die gefälschten Kugeln am verschlossenen Loch mit Silberbronze überstrichen worden. Die Füllung war exquisit: sauberer, weißer Schnee, feinstes Nasengold in Plastikfolie, darüber festes Stanniol, verpackt zu Portionen à 50 Gramm. Endlich waren diese Billigkugeln mal mehr als sie schienen, viel mehr.
„Verdammt, die Spur führt direkt zur Marseillaise.“ – „Was? Wohin? Was hat der Koks mit der französischen Nationalhymne zu tun, hä?“ – „Na, nach Marseille, meine ich.“ Heinz Mosterd wunderte sich immer wieder über Kollegen, die auch keine Ahnung hatten. „Ich meine, wetten, daß der Stoff aus Marseille kommt?“ sagte er seinem Kollegen. Für einen Moment standen die Bilder aus dem vergangenen Sommer vor seinen Augen. Die Marseillaise, zwei Runden auf heißem Asphalt mit Mühe irgendwie gewonnen, Hannes, sein Tireur, hatte nur ein Loch geschossen, unglaublich; dann auf staubbedecktem Parkweg ein dänisches Triplette weggefegt und schließlich von zwei netten älteren Männern und ihrer schießenden jungen Partnerin unter sanften Platanen mit einem veritablen Fanny verabschiedet. Adieu, Marseille, aber als stolze 519.!
„Was du alles weißt, Heinz, mach mal lieber deinen Bericht noch vor Feierabend fertig.“ Heinz fand sich darein, schritt wieder ins Dienstzimmer zurück und machte sich ans zu ertastende Werk. Er hatte im Geländewagen des Dealers eine Detailkarte von Niedersachsen gefunden und war sich ganz sicher, daß er in die berüchtigte Kokain-Connection Marseille – Norddeutschland eingegriffen hatte.
Dort, im Park, fiel Fritz etwa gleichzeitig auf, daß Olaf seit langer Zeit mal nicht da war. Franz meinte: „Ach, der korrigiert Druckfahnen oder macht mal wieder `ne Kurierfahrt für den Allgemeinen Anzeiger.“ Doch Fritz hakte nach: „Nenee, du weißt doch, daß er ausschließlich nachts sowas macht.“ Franz hatte offensichtlich keine Lust darüber zu reden: „Nun haben wir Herrn Kruthaas genug Aufmerksamkeit gewidmet. Laß uns mal spielen.“

FORTSETZUNG FOLGT

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